Stock sei dank
Welch eine großartige Idee, zum STOCK eine so vielfältige Tagung zu veranstalten! Es fallen mir sofort viele Geschichten ein, in denen der Stock schon früh in meinem Leben eine Bedeutung bekam.
- Wenn ich als Kind mit meinem Vater wanderte, dann schnitzte er mir aus dem Zweig eines Strauches einen „Fingerleger“, – ein möglichst gerader Stock, der oben eine Y-förmige Verzweigung aufwies, in die ich meinen Zeigefinger legen konnte, wurde dann zum komfortablen Wanderstab.
- Wir Kinder entdeckten, dass wir versuchen konnten, einen Stock möglichst lange auf der Fingerkuppe zu balancieren, dann dabei zu laufen und schließlich auch noch zu singen.
- Oft waren die Äpfel an den herbstlichen Bäumen für uns Kinder nicht erreichbar. Aber mit Hilfe eines Stockes konnten wir unsere Reichweite erheblich vergrößern (so wie der Schimpanse Sultan in Köhlers Experimenten 1921 auf Teneriffa sich die außerhalb seiner Reichweite befindlichen Bananen herbeiholen konnte).
- Irgendwann entdeckten wir, dass es hilfreich war, einen Stock zu benutzen, wenn man beim Springen über einen Bach im Wasser statt am anderen Ufer landete.
- Wir machten „Nachlese“ auf den Kartoffelfeldern. Die gefundenen Kartoffeln wurden auf einen Stock gespießt und ins Feuer gehalten. Die verkohlte Schale wurde mit den Fingern abgezogen, um in die heiße Kartoffel zu beißen…
Die Aufzählung solcher biografisch bedeutungsvoller Geschichten ließe sich fortsetzen. Und jede und jeder wird analoge Geschichten aus der Kindheit oder aus späteren Phasen der Lebensgeschichte beisteuern können. Freudvolle und lustvolle oder vielleicht auch schmerzhafte. Und jede dieser Geschichten beleuchtet einen anderen Aspekt unserer Biografie. Wie wir uns in die Welt hineinbewegen, wie wir uns entdecken, erproben, entfalten, wie wir Herausforderungen meistern. Im Stock entdecken wir die nahezu unendliche Vielzahl seiner möglichen Funktionen: wie er zum Werkzeug werden kann, zum Spielgegenstand, zum Objekt künstlerischen Gestaltens, zum Ermunterer und Begleiter in Wagnis und Abenteuer, …
Die Tagung Stock sei dank wird reichlich dazu anregen, sowohl auf biografisch Gewordenes zu schauen wie auch neue Möglichkeiten des Aufbruchs zu entdecken.
Ich danke Thomas Brendel für den wunderbaren Einfall zur Tagung. Allen wünsche ich einen lustvollen Verlauf!
Wilfried Belschner
Prof. Dr. Wilfried Belschner
Univ. Oldenburg, Departm. f. Psychologie
D-26111 Oldenburg
Email: w.belschner@uni-oldenburg.de