Körner von Dörner
(aus dem Buch „Herr Dörner kommt mit dem Zug“ Paranus/Neumünster 2013)
Wenn ich meinen Lebensgarten in Muße betrachte und mich an den farbigen und lebendigen Pflanzenkompositionen erfreue und wenn ich zur Erntezeit die schmackhaften Früchte und Wurzeln sammle – dann wird mir beim Anfassen, Beschnuppern, Zubereiten und schließlich Verspeisen manchmal bewusst, dass ich gar nicht mehr genau weiß, wann wer wie in diesem Stück Land den Boden bestellt, gedüngt und ausgesät hat.Ich sage manchmal kluge Sachen, entwickle und erforsche und gestalte komplexe Modelle, die ich – als für dies und jenes sehr nützlich – als „meine Erkenntnis“ anpreise.
Ich bereite tolle Speisen zu und bitte meine Mitmenschen zu Tisch und tue so, als ob ich das alles weiß, gut kann und natürlich durchblicke.
Oft aale ich mich eitel und selbstverliebt in dem Lob und der Anerkennung derer um mich herum, nicht selten prahle ich mit den prächtigen Äpfeln aus meinem Garten und dem gesunden „Selbstgemachten“.
Ich vergesse oft, dass die Früchte, die ich heute auf dem Markt wohlfeil anbieten kann, nur so kräftig wachsen konnten, weil die Saat schon stark war.
Ich vergesse oft, dass die Seelennahrung und die Lebensmittel von diesem Acker nicht ohne das wesentliche und wesensbestimmende Saatgut und das Wesen der „Sä“-Leute denk- bzw. genießbar wären.
Die Saatkörner von Klaus Dörner gehören zu denen, von denen ich schon gar nicht mehr weiß, wann sie mir zum ersten Mal begegneten.
Auf der Suche nach Referent/inn/en für eine Arbeitstagung über „Ohnmacht“ in unserer Klinik am Erntedankwochenende im Oktober 2012 wollte ich diesmal Menschen einladen, die mir im Laufe meiner Lernzeit Ideen, Haltungen und Sichtweisen vermittelten, die mich bis heute tragen und bewegen.
Unser Symbol für die Kunst des Lebens, das „Malte- Männchen“ ,erinnert uns an die Aufgaben, die wir mit uns und den Unsrigen zu bewältigen haben. Es ist eine Zeichnung von Malte, eines zehnjährigen geistig/psychisch behinderten Jungen, der nach einem Jahr Training dieses Bild als Essential der ganzen Maßnahme mit den Worten zusammengefasst hat: „Himmel und Erde verbinden“ – was zugleich die Aufgabe des Saatkorns ist.
Klaus Dörner ist einer von vielen, die die Wiesenblumenmischung in den Fußgängerzonen verstreuen und die sich nicht beeindrucken lassen, wenn die ordentlichen Verbundpflasterpfleger der keimenden Kraft mit Kehrmaschinen zu Leibe rücken.
Er ist ein Unkraut in den versteinerten Schrebergärten, ein Löwenzahn – unausrottbar, vitaminreich und viril.
Ich trage gerne den Saatsack.
Thomas Brendel