„Dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht“, heißt es im 23. Psalm. Was der
Gläubige hier von Gott als seinem Hirten erhofft, nämlich Stütze und Halt im Leben,
ist für viele Menschen durch die Geschichte auch im ganz buchstäblichen,
physischen Sinn eine Notwendigkeit geworden, nämlich ein Stock und Stab, auf den
er sich in bei Schwäche und Gebrechlichkeit stützen kann.
Aber damit ist die historische Bedeutung des Stocks nur unzureichend beschrieben:
In all seinen vielfältigen Variationen ist er im Laufe der Kulturgeschichte weit mehr als
eine bloße Gehhilfe geworden.
Sicher schon von Anfang an war er auch eine Waffe zur Jagd, Verteidigung und –
leider – auch zum Angriff. Doch schon in vor- und urgeschichtlicher Zeit wurde er
darüber hinaus auch zu einem Symbol für Herrschaft und Macht, aber auch für
Hirtensorge. Dies zeigen – um aus einer Vielzahl möglicher Beispiele nur zwei
besonders markante zu nennen – die Stockfunde in altägyptischen
Pharaonengräbern ebenso wie der liturgische Stab des christlichen Bischofs.
Die Formen, die „Stock und Stab“ dabei im Laufe der Jahrhunderte angenommen
haben, und die Variantionen ihres Aussehens sind unzählig. Manche von ihnen
lassen ihren Ursprung und eine große Nähe zu ihm leicht erkennen, wie
beispielsweise etliche der auch heute populären Sportgeräte, andere haben sich
weiter von der ursprünglichen einfachen Stockform entfernt wie das Herrscherszepter
der traditionellen Regalien.
Auch ist der Stock als allgemeines Attribut des freien Mannes (und mancher Frau!),
der schon im 18. Jahrhundert immer populärer wurde, seine weiteste Verbreitung
aber vor allem im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert hatte, durch die
zunehmende Mechanisierung des öffentlichen Lebens allmählich ganz außer
Gebrauch gekommen: Ein Stock beim Promenieren und in der Pferdekutsche macht
Sinn, im Auto und auf der Rolltreppe ist er einfach nur unpraktisch, ja hinderlich.
Der klassische Stock ist somit heute – von bemerkernswerten Ausnahmen
abgesehen – weitestgehend mehr Sammelobjekt als Attribut und in seinem
praktischen Gebrauch gewissermaßen zumeist zu seinem Ursprung als Gehhilfe
zurückgekehrt.
Umso interessanter ist es, einen Blick in die kulturgeschichtliche Entwicklung von
„Stock und Stab“ und ihre Verwendung zu werfen, wie es diese Ausstellung tut. Dass
sie begleitet wird von praktischen Übungen zum sportlichen Stockgebrauch, macht
sie umso interessanter und zeigt einmal mehr die Bandbreite des Themas.
Mit Dank für die Organisatoren wünsche ich daher herzlich der ganzen Veranstaltung
einen guten Verlauf und viele engagierte Teilnehmer!
Montgomery, 17. März 2019
Nikolaj Thon
Ipodiakon, Bischöflicher Rat, Generalsekretär der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, Stocksammler und Stockausteller